Meine Blutwerte sind vollkommen in Ordnung, aber ich fühle mich krank.
Diese Aussage hören wir oft von Patienten, nachdem sie von Ihrem Arzt ein sogenanntes „großes Blutbild“ haben machen lassen. Die analysierten Werte liegen dabei meist in der Norm und der Arzt erklärt, dass alles in Ordnung sei. Erwidert der Patient daraufhin, er habe aber Symptome und fühle sich nicht wohl, wird das in manchen Fällen sogar als unmöglich dargestellt und mitunter auch als psychosomatische Problematik bezeichnet. Wie kann das sein?
- In vielen Fällen sind die erhobenen Werte nicht ausreichend, um die Symptomatik des Patienten beurteilen zu können. Denn das sogenannte „große Blutbild“ entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gar nicht so groß.
- Es werden die falschen Werte zur Beurteilung einer Symptomatik erhoben. Nehmen wir an, Sie leiden unter Muskelkrämpfen und Ihr Arzt bestimmt Magnesium im Blutserum (mittels der klassisch durchgeführten Blutanalyse). Da aber der Magnesiumgehalt im Blutserum immer in sehr engen Grenzen gehalten wird, ist es nahezu unmöglich dort einen Magnesiummangel festzustellen.
- Blut ist ein Transportmedium. Viele Werte bleiben im Blut konstant, obwohl es in anderen Geweben bereits zu Mangelzuständen gekommen ist. Dies gilt vor allem für die Spurenelemente und Mineralien.
- Blutwerte zeigen in vielen Fällen Störungen erst dann an, wenn die Symptomatik bereits sehr weit fortgeschritten ist. Funktionale Beeinträchtigungen, die durchaus Symptome hervorrufen können, werden nicht erkannt. Eine beeinträchtigte Nierenfunktion ist für diesen Sachverhalt ein gutes Beispiel. Bevor die Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff) im Blut ansteigen, kann die Niere schon lange Zeit vorher für viele Symptome ursächlich verantwortlich sein.
- Liegen die Werte in den angegebenen Grenzbereichen heißt das nicht, dass sie für den einzelnen Patienten auch optimal sind. Jeder Messwert sollte und muss in Verbindung mit der Symptomatik des Patienten interpretiert werden.
- Blutwerte sind Momentaufnahmen, was bedeutet, dass größere Schwankungen in den einzelnen Werten durchaus möglich und ggf. sogar wahrscheinlich sind. Schilddrüsenhormone beispielsweise schwanken sehr im Tagesverlauf. Daher ist es nicht unbedingt möglich aufgrund einer Testung die Funktion der Schilddrüse zu bestimmen.
Viele Substanzen (z.B. die Schilddrüsenhormone) wirken in der Zelle. Es werden spezielle Transporter benötigt, um sie vom Blut in die Zelle zu befördern. Sind diese Transportprozesse gestört oder kommt es zu Störungen im Bereich der Zellmembran, können trotz optimaler Blutwerte Funktionen beeinträchtigt sein
Sie sehen, es gibt viele profunde Gründe, weshalb eine Blutuntersuchung nicht immer aussagekräftig ist. Grundsätzlich ist JEDE durchgeführte Untersuchung nur ein Hinweis und nicht die absolute Wahrheit. Eine gute medizinische Diagnostik beruht immer auf einer Vielzahl von Informationen und Parametern. Dabei sollte die persönliche Symptomatik und Krankengeschichte des Patienten ausschlaggebend sein. Aussagen wie „das kann nicht sein“ oder „das müssen Sie sich einbilden“ sollten Sie bezüglich der Kompetenz des behandelnden Mediziners sehr skeptisch werden lassen.
Die Medizin ist eine sehr komplexe Wissenschaft und erfordert in den meisten Fällen viel Feingefühl, um zu einer guten Diagnostik zu gelangen. Ein guter Mediziner hört sehr genau zu, nimmt sich Zeit, um die Symptomatik des Patienten zu verstehen und verliert nie den Menschen als Ganzes aus den Augen. Er weiß, dass trotz des heute verfügbaren umfangreichen Wissens die Funktionsabläufe vieler Prozesse im Körper noch nicht erklärt werden können.